Freddie Mercury/Farrokh Bulsara: Queen Making Pop-Video, 1989 (APA-Foto)
DIE GESCHICHTE VON FARROKH BULSARA, DER SICH FREDDIE MERCURY NANNTE |
Freddie Mercurys Leben glich einem Märchen. Der schüchterne Junge von der Tropeninsel schaffte es, ein Mythos zu werden. Seine Musik und seine Stimme verhalfen ihm dazu. Bis heute – zwanzig Jahre nach seinem Tod – schwören ihm Millionen Fans ihre Treue. Ihnen allen widme ich diese Geschichte.
Auch wenn sie wie ein Märchen klingt – wie gesagt: Freddie Mercurys Leben glich einem Märchen. Aber letztendlich fordert jedes Märchen zum Nachdenken auf – jeden, der es liest oder hört!
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Vor langer Zeit lebte ein Junge mit dem Namen Farrokh Bulsara. Farrokh bedeutet glücklich und froh. Diese Vorzüge wünschte ihm jeder, als er zur Welt kam.
Bulsara war der Name der Familie, in die er geboren wurde. Seine Ahnen hatten in der Stadt Bulsar gelebt. Einer von ihnen, ein Magier, zauberte Farrokh in dessen Geburtsstunde als Geschenk einen Stern an den Himmel, den Stern Mercury. Er sollte dem Jungen sein ganzes Leben zur Seite stehen.
Aber weil der Magier nicht nur zaubern, sondern auch in die Zukunft blicken konnte, sah er Farrokhs Aufgabe auf Erden. Sie bestand darin, Menschen durch Musik glücklich zu machen. Aber nicht durch irgendeine Musik! Nein, Farrokh sollte sie schaffen! Und zwar mit seinem Talent, seiner Stimme und seiner Phantasie!
Als Farrokh sieben Jahre alt war, hätte der Magier den Jungen gern auf diese Aufgabe aufmerksam gemacht, ließ es aber dann doch sein. Eine Lebensaufgabe ist ein Geheimnis, das jeder für sich selbst entdecken sollte. Wer sich darüber keine Gedanken macht, ist ein Unglücklicher. Einer, der sein Leben umsonst lebt. Einer, dem es nie gelingen wird, an sein Ziel zu gelangen.
Der Ort, an dem dies alles geschah, war eine Insel im Indischen Ozean. Auf ihr standen Sultanspaläste aus Elfenbein und Häuser aus Korallen. Auf ihr lagen Strände voll Kokospalmen und Kaurimuscheln im goldfarbenen Sand zwischen roten Seesternen, die ein wilder Wind dorthin gespült hatte. Es war die Insel Sansibar.
Farrokh ging dort zur Schule. Die ersten paar Jahre lernte er das, was jeder in den ersten paar Schuljahren lernt, das braucht man nicht aufzuzählen. Allerdings wollten ihm seine Eltern die beste und förderlichste Ausbildung zukommen lassen, schließlich liebten sie ihn ja. So eine überdurchschnittliche Ausbildung war auf der kleinen Insel ein Ding der Unmöglichkeit. Doch in Panchgani, drüben in Indiens Hügeln, gab es äußerst geistesfördernde, wenn auch strenge Schulen. Da Farrokh gerade in einem Alter war, in dem das eine oder andere Machtwort nicht schadet, beschlossen sie, ihn in eine solche Schule zu schicken. So kam es, dass Farrokh Bulsara Sansibar verließ und mit dem Schiff über den Ozean nach Panchgani reiste. Acht Wochen lang! In dieser Zeit malte er sich aus, was ihn an der neuen Schule erwarten würde. Welche Lehrer, Freunde, Grundsätze? Würde er seine Grundsätze, die sein Großvater, sein Vater, sein Onkel ihn gelehrt hatten, aufrechterhalten können? Jene Grundsätze, die alle seine persischen Ahnen befolgten? Die ihnen Zarathustra gepredigt hatte, der Größte aller Propheten! Und dieser hatte sie von Ahura Mazda empfangen. Für Farrokh war Ahura Mazda der einzige Gott. Er hatte die Welt auf dem Fundament der wahrhaften Wahrheit erschaffen. Gute Gedanken, gute Worte, gute Taten – das waren die Grundsätze dieser Wahrheit. Wer sie befolgt ist unfähig zu einer gröberen Sünde.
Gute Gedanken, gute Worte, gute Taten – das waren die Grundsätze des Farrokh Bulsara!
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An der neuen Schule waren englische Vornamen zeitgemäß, deshalb nannte er sich Freddie. Er lernte viel in Geografie, Geschichte, Physik und so weiter, die Sprachen Hindi und Marathi, sein Englisch vervollständigte er nebenbei. Obwohl er sehr gut in Tischtennis war, war ihm Sport nicht unbedingt wichtig. Was ihm viel mehr bedeutete war Kunst. Freddie Bulsara, der Schüler, zeichnete, malte, spielte Theater, las Literatur. Besonders Biografien großer persischer oder indischer Helden faszinierten ihn.
Was ihn aber im tiefsten Inneren berührte war die Musik! Nur mit ihr gelang es ihm, in unbekannte Welten zu fliegen, in Weiten, zu fremden Tönen, von denen er überhaupt nicht wusste, dass es sie gab, zu Namen, die so fremd für ihn klangen – Chopin, Mozart, Debussy. Nachdem er Klavierspielen gelernt hatte, wurden sie seine musikalischen Meister. Ihre Werke boten sie ihm dar wie ein Wunder! Und zu so einem verhalfen sie ihm auch: Zu dem Wunder Freddie Bulsaras erster eigener Schöpfung! Es war seine erste eigene Komposition.
Wie hätte ihn dieses Wunder veranlassen sollen, seinem Gott abzuschwören, ihm den Kampf anzusagen? Welcher Umstand hätte es nach diesem Mysterium fertig gebracht, mit seinen in Fleisch und Blut existenten Grundsätzen zu brechen?
Keiner, kein einziger!
Im Gegenteil: Freddie Bulsara versprach seinem Gott immerwährenden Dank für das Geschenk, mit dem er ihn bedacht hatte.
Zeit seines Lebens hielt sich Freddie an dieses Versprechen!
Zu Chopin, Mozart, Debussy gesellten sich moderne Komponisten und Sänger, die Bulsara inspirierten. Rockgrößen wie Elvis Presley und Little Richard zum Beispiel veranlassten ihn und ein paar seiner Freunde eine Schulband zu gründen. Voller Begeisterung hämmerte er in die Tasten, bis sich diese nahezu verbogen. Nach vier Jahren mit dieser Band war er ein junger Mann dessen Schulzeit in Panchgani zu Ende war. Er kehrte nach Sansibar zurück. Leider stand dort kein Klavier, dem er sich hätte widmen können. Die Musik, in der Sansibar schwelgte, hieß Taarab. Dieses heitere Gemisch aus afrikanischen, arabischen und indischen Klängen, war einst in den Palästen der Sultane entstanden. Zudem gab es zoroastrische Tempelgesänge.
Mit einem gewissen Maß an Fantasie schafft es fast jeder, sich fröhlichen Taarab und Tempelgesänge vorzustellen. Nur „zoroastrisch“ macht den meisten zu schaffen! Dabei ist es weder schwer zu verstehen, noch schwer zu erklären: „Zoroastrisch“ leitet sich von „Zoroastrier“ ab – jenen Gläubigen, für die Ahura Mazda der einzige Gott ist. Wie für Freddie Bulsara zum Beispiel! Ein Zoroastrier ist somit keineswegs ein Exote, sondern ein Mensch wie Freddie Bulsara, der an seinen einzigen Gott glaubte. Ich denke, jetzt kann sich fast jeder zoroastrische Tempelmusik, begleitet von Flöten, Trommeln und heiteren Stimmen, vorstellen!
Nachdem er wieder in Sansibar war, traten in Freddies Leben Umstände ein, die seine Musik beiseite schoben. Unter anderem verliebte er sich. Nicht nur einmal! Weil im Gegensatz zu Panchgani, wo hauptsächlich Jungs in der Schule waren, hatte er jetzt genug Gelegenheit sich zu verlieben. Das eine oder andere Mädchen stieg auf seine Verliebtheit ein, die eine oder andere unterließ es. Viele fanden Freddie einfach zu schüchtern oder zu unerfahren. Oder er verliebte sich in Mädchen, die in einen anderen verliebt waren. Das akzeptierte er mit einem Schulterzucken, weil er kein Draufgänger war. Ein Schüchterner, der oft mit verschränkten Armen herum lümmelt, kann unmöglich ein Draufgänger sein! Alte Freddie-Fotos beweisen das.
Trotz allem war er sich sicher, irgendwann die Richtige zu finden und mit ihr eine Familie zu gründen. Als höchstes Gebot für einen Zoroastrier sieht Ahura Mazda Heirat und die Zeugung von Nachkommen vor. Mit ihnen soll die Familienlinie aufrechterhalten werden. Zoroastrier sind ein kleines Glaubensvolk und deshalb sehr auf Nachwuchs bedacht.
Neben dem Verliebtsein bereitete sich Freddie Bulsara auf Sansibar auf ein Studium vor, denn seine Eltern hatten für ihn eine Karriere als Arzt oder Rechtsanwalt auserwählt.
An einem Tag, der anders war, als die anderen, geschah damals die Katastrophe. Auf Sansibar brach ein Krieg aus, der die Insel in eine Hölle verwandelte. Schläge, Schüsse, Todesschreie. Der Machtsturz des Sultans! Tausende Araber und Inder wurden ermordet, auch Zoroastrier blieben nicht verschont. Der Magier deutete dies als Zeichen Gottes. Er erzählte Freddie von dem Geschenk, von dem Stern Mercury, der ihm immer zur Seite stand, auf den er immer zählen konnte. In diesem Moment wusste der junge Bulsara, was zu tun war. Er musste fort aus Sansibar, denn er hatte dort keine Zukunft. Diese lag in der Fremde, davon war Freddie überzeugt. Er und Mercury würden es in die Zukunft schaffen!
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Sie hieß London. Dort war die Musik wie ein Sog. Alle und alles riss er an sich. Auch Freddie! Er komponierte, textete, sang, ohne seine Lebensaufgabe zu erkennen. Für ihn gab es Enttäuschungen, wie es sie für jeden gibt. Keine Erfolge, unglückliche Lieben. Pech, zur falschen Zeit die Falschen zu treffen. Aber es gab für ihn kein Zurück. Er war sich seiner Zukunft so sicher. Von allem Anfang an war er überzeugt, es zu schaffen. Natürlich hatte er außer Musik nach wie vor die Familiengründung im Kopf. Aber das war nicht so einfach. Üblicherweise muss jeder junge Musikschaffende, der ohne Erfolg ist, einem Brotberuf nachgehen, um durchzukommen. Es sei denn, er hat Gönner oder Förderer, macht eine gute Erbschaft oder ist ein Speichellecker. Freddie hatte weder das oder das, noch machte er das oder das. Dadurch verschlimmerte sich seine Lage. Anfangs in London war Freddie Bulsara ein junger, erfolgloser Musikschaffender, der einem Brotberuf nachging und den seine Überzeugung dazu trieb, erfolgreich zu werden. Das raubte Zeit. Ein Mann gründet eine Familie nicht von heute auf morgen. Schon gar nicht mit irgendeiner, die vielleicht nur auf seinen künftigen Erfolg scharf ist. Es hing also mit unglücklichen Lieben zusammen, mit Pech, zur falschen Zeit die Falschen zu treffen, sodass er seine Familiengründung auf später verschob.
Seine Überzeugung trieb ihn weiter. Er lernte Musiker kennen, die diese Überzeugung mit ihm teilten, mit ihm eine Gruppe bildeten. Innerhalb dieser Gruppe erkannte Freddie Bulsara seine Lebensaufgabe: Mit seinem Talent, seiner Stimme und seiner Phantasie musste er Musik für die Menschen schaffen – um sie glücklich zu machen.
Ab dieser Erkenntnis nannte er sich Freddie Mercury!
In vielen seinen Liedern dankte er Gott. Ihn besang er genauso wie er die Liebe besang und seine Einsamkeit. Im Grunde gab es für Freddies Lieder nur diese drei Themen: Liebe, Gott und Einsamkeit. Sie war das Gefühl, das ihn am meisten schmerzte – bodenlose Einsamkeit.
Das war bei ihm, wie bei allen großen Künstlern. Jeder von ihnen ist im Innersten einsam. Denn jeder, der sein Talent entfaltet, erzeugt Neid, jeder, der sein Talent zur Schau stellt, erzeugt Eifersucht, und eifersüchtige Neider erzeugen den Hass auf dieser Welt.
Das ist ein hundsgemeines Gesetz: Jeder, der sich seinem Talent verpflichtet, ist im Innersten einsam. Seine treuesten Feinde heißen Neid, Eifersucht, Hass.
Wirkliche Freunde sind selten.
Sie ließen sich an einer Hand abzählen.
Denn wer ist ein wirklicher Freund? Ein wirklicher Freund ist einer, der dich bedingungslos liebt. Ist einer, der mit dir allen Gefahren widersteht. Ist einer, der dich niemals belügt. Einer, der niemals auf deinen Reichtum aus ist, weder auf materiellen noch auf geistigen. Einer, der über den Tod hinaus zu dir steht.
Falsche Freunde hatte Freddie Mercury mehr als genug. Geradeso wie Neid, Eifersucht und Hass machten auch sie seine Einsamkeit aus. Alles in allem waren Bewährungsproben. Freddie bestand sie auf seine eigene Art. Mit seinem Humor! Er war ein wirkungsvoller Helfer, der ihn nie im Stich ließ.
Die Überzeugung siegte, Freddie und die Gruppe eroberten mit Musik die Welt. Natürlich nicht von heute auf morgen, zu rascher Erfolg führt zu einem zu raschen Abstieg. Sie tourten, gaben Konzerte, Mercury dauernd an vorderster Front! Für alle wollte er immer das Beste. Also musste er im Vordergrund der Beste sein und sein Bestes geben. Rein in Zusammenhang mit seiner Lebensaufgabe betrachtet, war das völlig in Ordnung. Klar, er machte auf Show. Ohne sie wären die Leute nur halb so glücklich gewesen. Sensibel wie Freddie war, spürte er das. Er zog aber keine x-beliebigen Show ab, sondern die Größte! Eine x-beliebige Show wäre ihm wie Betrug am Publikum vorgekommen. Niemals hätte sich das mit seinen Grundsätzen vertragen. Gute Gedanken, gute Worte, gute Taten!
Dazu kam: Alles was Freddie Mercury machte, machte er ganz. Oder gar nicht! Halbheiten existierten für ihn nicht. Also widmete er sich ganz der Musik. Mit dieser löste er einen weltweiten Begeisterungssturm aus. Das trieb Neid, Eifersucht und Hass an den Rand des Wahnsinns. Sie geiferten um die Wette, ließen Verleumdungen gegen Mercury los, Schmähungen, suchten nach Verbündeten. Und diese fanden sich rasch! Es waren Gewaltmächte, solche die Völker beherrschen. Gemeinsam zielten sie darauf ab, Freddies Erfolg zu ruinieren. Das erste worauf sie es anlegten war sein Ruf. Sie mordeten ihn. Einem Zoroastrier geht, neben der Zeugung von Kindern, sein Ruf über alles. Ohne ihn ist er nur mehr ein halber Mensch. Ein Rufmord beraubt einen Zoroastrier der Ehre. Er ist ein lebenslang entehrtes Opfer, das nach seinem Ableben ein vernichtendes Gedenken erhält. So einer wird alles daran setzen, die Wahrheit an den Tag zu bringen. Im Denken eines Zoroastriers herrscht Wahrheit an vorderster Stelle.
Nun könnte man fragen, weshalb sich Freddie Mercury nicht verteidigte, weshalb er seine Entehrung zuließ. Das wäre eine berechtigte Frage – aber: Wie hätte die Verteidigung eines Einzelnen gegen die Gewaltmächte mitsamt ihrem Neid, ihrer Eifersucht und ihrem Hass in den Augen der Öffentlichkeit ausgesehen? Hätte Freddie nicht wie einer gewirkt, der mühsam versucht, eine uneingestandene Schuld abzuwälzen? Wie ein Feigling, ein Lügner?
Freddie war wie jeder Zoroastrier ein stolzer Mann, nie hätte er sich zu so etwas herabgelassen. Aber gerade damit rechneten seine Feinde. Sie meinten, er würde stolz schweigen, seine Entehrung hinunterschlucken. Im Grunde genommen ging diese Rechnung auf. Indem er sich nicht offen zur Wehr setzte und sich nicht offen verteidigte, gewannen seine Feinde die Oberhand. Seine getarnten Botschaften, die er in seinen Liedern um die Welt schrie, blieben ungehört. Seine Missionen, mit denen er um seinen Ruf kämpfte, beachtete keiner. Die Leute, die sich glücklich wähnten, ihn zu hören – hörten ihn nicht, sahen ihn nicht, beachteten ihn nicht. Es genügte ihnen seine Botschaften unbekümmert mit zuschreien, zu beklatschen, in den Boden zu stampfen – wie arglose, ahnungslose Kinder.
„… Sie lassen dich nie und nimmer gewinnen, alles was du tust ist Sünde, keiner glaubt dir, sie machen dich fertig bevor du beginnst …“ Freddie singt es in „Liar“. Regt es irgendwen zum Nachdenken an?
„… Und keiner wird jemals wirklich die Wahrheit von den Lügen unterscheiden können, und am Ende muss die Geschichte tiefer versteckt werden, tiefer und tiefer und tiefer im Innersten…“ In „Scandal“ schreit er es sich von der Seele. Achtet jemand darauf?
Rufmord ist ein häufiges Verbrechen, unblutig, zu selten geahndet. Für Richter und Anwälte, so scheint es, zu minder. Dabei ist und bleibt es aber das, was es ist: Ein Verbrechen! Den Ruf eines anderen zu morden, ist jenes Verbrechen, das ehrverletzende Behauptungen über jemanden aufstellt, obwohl die Unwahrheit dieser Behauptungen bekannt ist. Bleibt es ungesühnt, lässt es sich für die Täter gut leben. Rufmördern fehlt das Gewissen!
Ein Rufmord geschieht nicht über Nacht. Er ist lang vorzubereiten, erfordert Sorgfalt, List, Tücke. Das Verbrechen, Freddie Mercurys Ruf zu morden, wurde vorbereitet, seit sein Erfolg sich einstellte. Jetzt frage ich: Wie kann einer an einem einen Rufmord begehen, der um Liebe schreit, mit Gott ein Zwiegespräch führt und um Kraft bittet?
Was für barbarische Scheusale müssen das sein?
Er war eine Kämpfernatur, er gab nicht auf. Ungeachtet seines falschen Rufes wusste er, den Scheusalen die Stirn bieten zu müssen. Bewusst kämpfte er den ungleichen Kampf um des Sieges Willen. Wie zuvor vertraute er auf den Schutz Gottes. Öffentlich, vor laufender Kamera, gestand er es ein: „Er schaut auf mich“, sagte er, deutete zum Himmel und meinte Gott damit.
Besser, er hätte es für sich behalten!
Zu den drei Scheusalen gesellte sich Bosheit!
Freddie Mercury wurde zum größten Kämpfer seiner Zeit. Sein Kampffeld war die Bühne, das Mikrofon seine Waffe. Sein Talent, seine Stimme und seine Phantasie verhalfen ihm zum Sieg. Er siegte sich zum größten Sänger empor. Obwohl er aufgrund seines falschen Rufes nur mehr für sich allein derjenige war, wie am Anfang, gewann er die Herzen all jener, die er mit seiner Musik glücklich machte. Das waren viele, viele Millionen Menschen auf der ganzen Welt. Egal ob groß oder klein, alt oder jung, dick oder dünn, schön oder hässlich, klug oder altklug. Viele Millionen Menschen auf der Welt liebten und verehrten ihn trotz seines falschen Rufes. Glück ist für die Menschen etwas sehr seltenes, besonders wenn es für manche nur ein kleines Lied lang währt.
Und er liebte sie. Sie waren seine Familie!
Er schrieb Hymnen für sie, die sie mit ihm in Stadien sangen, schuf für sie Lieder, die sie auf dem Weg zur Arbeit vor sich hin singen konnten, um auf andere Gedanken zu kommen. Note an Note, Takt an Takt reihte er mit dem Ziel, seine Musik möge alle Menschen vereinen. Sie zu Brüdern und Schwestern machen, wie er sie sah. Für alle wollte er einfach nur eines: Glück!
„Er ist nicht zum Umbringen, sein Erfolg grenzt an Magie“, sagten Neid, Eifersucht und Hass zueinander. „Mal sehen, wie weit es mit dem her ist, der ihn beschützt“, lachte die Bosheit und meinte Gott damit. Mit vereinten Kräften gingen sie nochmals daran, ein weiteres Verbrechen vorzubereiten. Ein viel Schlimmeres als Mercurys Ruf zu morden. Gemeinsam traten sie als Anstifter auf, heuerten Täter, Übeltäter.
Es war ein schleichendes Gift, mit dem sie seinen Körper verseuchten. Denn ein langsamer, grausamer Tod war gerade gut genug für einen wie ihn. Gerade gut genug für einen, an dessen langsamen Sterben sich der Neid mit seinen bestialischen Kumpanen weiden will. Langsam, ganz langsam verbreitete das Gift seine Wirkung. Freddie Mercury starb über Jahre. „Jeden Tag starb Freddie ein wenig mehr“, wie einer seiner Handvoll Freunde sagte. Durch den falschen Ruf, den Freddie hatte, fiel die Ermordung seines Körpers nicht auf. Jemand kluger stellte fest: „Der ideale Mord ist nicht der, wenn der Täter nicht gefunden wird – es ist der Mord, bei dem jedes Faktum eines Mordes ausgeschlossen scheint!“.
Mit der Familiengründung war es für ihn ein für alle Mal vorbei. Aber deshalb blies er nicht Trübsal, begann nicht, mit seinem Schicksal zu hadern. Selbst im Stadium schwerer Krankheit gab er nicht auf. Trotz seines körperlichen Verfalls, seiner endlosen Qualen blieb er seiner Lebensaufgabe treu. Immer mehr schuf er an Musik, führte weiter den Kampf gegen die Feinde, denn sein Talent, seine Stimme, seine Phantasie verließen ihn nicht. Ebenso wenig wie sein Humor. Mit ihm lachte er die Gegnerschaft aus. Auf einmal war diese machtlos. Wie soll man dem Körper eines langsam Sterbenden die Musik entreißen, wenn Seele und Musik es einfach nicht wollen. Im Gegenteil: Je mehr sein Körper verfiel, desto kräftiger wurde Freddies Stimme. Töne, Melodien, Lieder wuchsen umso stärker, je mehr sein Körper abnahm. Während er starb verlieh ihm die Musik Monat für Monat, Woche für Woche, Tag für Tag Übermenschliches beinahe. Allerdings gelang es ihm aufgrund körperlicher Schwäche nicht mehr, Musik ohne die Hilfe der Gruppe zu schaffen, die trotz allem noch immer zu ihm stand.
Er warf Schmähungen, Spott, Rufe gegen seine Feinde, wie jene Pfeile, die früher auf seinen Bekleidungen waren. Die Geschosse trafen, er siegte endgültig. Im Grunde bestraften sich Neid, Eifersucht, Hass und Bosheit selbst, durch den langsamen Tod, den sie für Freddie ersonnen hatten. Durch sein langsames Sterben blieb ihm mehr Zeit, Musik für die Menschheit zu schaffen!
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Freddie Mercury starb friedvoll an einem 24. November.
An seinem Sterbebett zelebrierten zwei zoroastrische Priester alle Rituale, die für einen gläubig sterbenden Zoroastrier unabdingbar sind.
Sein Körper wurde – wie sein Glaube es vorsieht – eingeäschert.
Millionen Menschen hielten Freddie nach seinem Tod ihre Treue. Denn was Neid, Eifersucht, Hass und Bosheit übersahen, war die Kraft, über die einer, der nicht mehr auf Erden lebt, verfügt. Es sind solche Kräfte, gegen die jene von Lebenden eine Lappalie sind. Kräfte, die sich Lebende in ihrem simplen Leben niemals vorstellen können. Mit der Kraft eines nicht mehr unter den Lebenden Weilenden, kann ein Lebender einfach nicht mithalten. Zu starr hängt das Leben an dem Erdigen, Irdischen, an all den Unzulänglichkeiten, die damit verbunden sind.
Die Welt trauerte, als Mercury starb. Seine Musik wurde unvergesslich. Sie wird heute noch gespielt, er wird heute noch geliebt. Selbst heute stehen Neid, Eifersucht, Hass und Bosheit Freddie Mercury machtlos gegenüber.
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Der Vollständigkeit halber zum Schluss ein paar Tatsachen. In aller Kürze – wen sie interessieren, der wird ohnehin versuchen, mehr über sie in Erfahrung zu bringen:
Mercurius (Mercury) von Smolensk, dessen Gedenktag für orthodoxe Gläubige ein 24. November ist, lebte im 13. Jahrhundert. In einer ungleichen Schlacht rettete er die Stadt Smolensk vor barbarischen Feinden. In dieser Schlacht verlor Mercurius sein Leben. Seine Sandalen sind als Reliquie in der Maria-Entschlafenskathedrale in Smolensk aufbewahrt.
Mercurius (Mercury) Kayseri, dessen Gedenktag für orthodoxe Gläubige ebenfalls ein 24. November ist, starb als junger Soldat um 251 n. Chr. in der türkischen Provinz Kayseri. Auch er verlor in einem ungleichen Kampf, genauer gesagt, bei Folterungen, sein Leben. In Kairo steht eine Kirche, die ihm geweiht wurde.
Ehe er starb soll Mercurius Kayseri zu seinen Peinigern folgendes gesagt haben:
„Macht was immer ihr wollt, ihr habt die Kraft über meinen Körper, aber Gott hat die Kraft über meine Seele; und sogar wenn ihr meinen Körper tötet, ist die Seele für immer unvergänglich!“.
Freddie Mercury starb am 24. November 1991. Einen Tag bevor er starb, informierte er die Öffentlichkeit mittels einer vorbereiteten schriftlichen Aussage, an AIDS erkrankt zu sein. Die exakten Umstände, auf welche Art und Weise sich Freddie Mercury diese Krankheit zuzog, wurden nie eindeutig bewiesen.
written by: Henriette Sadler ©